Urs Koepfli
Der Präsident der MG Villmergen spricht im Interview über das ganz spezielle Jahreskonzert
Ein ganzes Jahrhundert: So lange weilt die naturhistorische Sammlung des Naturforschers Hermann Fischer-Siegwart schon im Museum in Zofingen. Anlässlich des Jubiläums führte man am Mittwoch, 27. März durch die reichhaltige Sammlung – mit besonderem Fokus auf die Nasspräparate.
Zofingen Heidi Pechlaner Gut, Leiterin des Museums Zofingen, betont zu Beginn der Führung, wie wichtig die naturhistorische Sammlung in Zofingen ist. Es sei ein einzigartiges Konvolut, eine kantonsweit bedeutsame Sammlung. Deshalb sei Manuel Babbi, seines Zeichens Vegetationsökologe und Umweltingenieur, auch ein grosser Glücksgriff für das Museum. «Er hat ein umfangreiches Fachwissen, besonders was unsere Nasspräparate angeht», erklärt sie weiter. Diese sind auch der Höhepunkt der Führung.
«Mit der Restaurierung und Konservierung von Nasspräparaten kennen sich in der Schweiz leider wenige aus», erklärt Babbi. Wahrscheinlich weil sie es «gruusig» finden, witzelt er. Doch sei es ein sehr spannendes und wichtiges Gebiet, dem eigentlich mehr Aufmerksamkeit zukommen sollte. Angefangen habe das Konservieren von Tieren, aber auch von Pflanzen neben dem wissenschaftlichen Zweck auch im privaten Bereich. Anno dazumal gehörte es unter wohlhabenden Leuten zum guten Ton, exotische Gegenstände und Tiere aus allen Herrenländern in der eigenen Stube stehen zu haben. Einige dieser Objekte hätten zum Glück ihren Weg ins Museum gefunden.
«Der Grundsatz eines Nasspräparates ist es, einen Organismus in seiner Gesamtheit zu konservieren», erläutert der gebürtige Muttenzer. Momentan befänden sich rund 350 Exponate in der Sammlung Fischer-Siegwart.
Ein Nasspräparat steht und fällt, wie der Name vermuten lässt, mit seiner Flüssigkeit. Zum einen gibt es die Lösung aus einer Mischung mit Wasser und Alkohol, meistens Ethanol. So werden die Mikroorganismen gehemmt, welche den Abbau vorantreiben würden. Statt Ethanol wird oft auch Formaldehyd verwendet, welches explizit die Tötung dieser Mikroorganismen bewirkt. Unterschied dabei: Formaldehyd behält die Farbe des Objekts bei, Ethanol nicht. Handkehrum zerstört Formaldehyd die DNA, während Ethanol diese unberührt lässt. «Einige Präparatoren riechen auch heute noch an den Exponaten, um zu überprüfen, in welcher Mischung sie eingeleget sind. Wahrscheinlich keine gute Idee: Formaldehyd ist hochgiftig und krebserregend.»
Genauso wichtig wie die Flüssigkeit ist auch deren Behälter. «Früher hatten wir diese Planschliffgläser, welche heute nicht mehr hergestellt werden», sagt Babbi. «Der Verlust des Glases durch Schäden oder Sonstiges ist fatal, denn es zählt nicht nur das Objekt, sondern die Gesamtheit des Exponates.»
Das Glas richtig zu verschliessen, sei auch eine Wissenschaft für sich: «Deckel in den Ofen, erhitzen, ein Harz-Kolophonium-Gemisch an den millimeterdicken Rand des Glases auftragen und danach den Deckel im perfekten Moment drauftun, im richtigen Moment hin und her schieben und dann zumachen. Ein richtiges Märtyrium; gelingt es nicht, muss alles Harz entfernt und der Prozess wiederholt werden.»
Grossen Wert haben zudem die von Hermann Fischer-Siegwart selbst angefertigten Etiketten. In schönster Handschrift gestaltete er diese mit grosser Mühe. «Wenn wir das Glas wechseln müssen, werden diese Etiketten mit grösster Vorsicht abgelöst und auf den neuen Behälter geklebt. Neben dem Glas ist dies auch ein grosser Teil des historischen Wertes.» Wichtig: Auf einer Etikette nie die Jahreszahl abkürzen. «Unsere Exponate sind teilweise aus den 1880er-Jahren, ob nun 1880 oder 1980 ist doch noch ein grösserer Unterschied», lacht Babbi.
Vieles sei leider eine Kostenfrage geworden, besonders für Museen, die notorisch zu wenig Geld hätten: Die Gläser und Deckel kosten sehr viel. Dazu käme, dass Babbi für das Überführen eines Exponates in ein neues Glas in ein Labor müsse. Der Transport muss wegen dem Ethanol und Formaldehyd als Gefahrentransport durchgeführt werden. Daneben hat man vom Zeitaufwand noch gar nicht geredet. Trotz all dieser Herausforderungen sieht Babbi seine Arbeit als eine wertvolle Mission. «Jedes Exponat erzählt eine Geschichte – über die Natur, die Wissenschaft und auch über die Menschen, die es einst gesammelt und bewahrt haben – und es liegt an uns, dieses Wissen weiterzugeben, damit auch kommende Generationen daraus lernen und sich daran erfreuen können.»
Joel Dreier
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