Ruth Kremer-Bieri
von der Zofinger Alterskommission führte durch den Demenz-Simulator.
Roshan Adhihetty und die 400 Kilogramm Ausschuss-Kartoffeln, die durch die Besuchenden in Pommes frites umgewandelt werden sollen.
Bild: Gemma Chillà
Die Kartoffel: auf den ersten Blick ein aus ästhetischer Sicht eher unscheinbares Nahrungsmittel. Doch besonders in der Schweiz kommt die Knolle oft zum Zug. Im Rahmen des Look@JKON Sommerfensters des Kunsthaus Zofingen rückt der Fotograf und Künstler Roshan Adhihetty den Erdapfel in ein neues Licht.
Zofingen Noch zwei Tage bis zur Vernissage der Sommerfenster-Ausstellung «Die Ästhetik einer Kartoffel» im Kunsthaus Zofingen. Vor dem Gebäude wird fleissig gewerkt. Bald soll hier eine fertige Frittenbude stehen, ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung von Roshan Adhihetty. Der in Solothurn aufgewachsene und heute in Zürich wohnhafte Künstler wurde von Eva Bigler, künstlerische Leiterin, und Ursula Liebich, Kulturmanagerin des Kunsthaus Zofingen, für das diesjährige Look@JKON-Sommerfenster auserwählt; ein Fördergefäss des Kunsthauses, welches als einer von drei Preisen an der Ausstellung «Junge Kunst Olten» vergeben wird. Im Inneren des Kunsthauses hängen bereits einige Fotografien an den Wänden. Doch der erste Blick fällt wohl eher auf die Konservierungsgläser, in denen Kartoffeln «für immer jung» gehalten werden sollen. Um die Ecke fällt dann der zweite Blick auf einen grossen Haufen Kartoffeln.
Doch was hat es eigentlich mit diesen Kartoffeln auf sich? Diese Knollen, die streng genommen weder als Gemüse oder Frucht zählen, werden in vielen Küchen weltweit rege genutzt. Als Kunstobjekt würden sie wohl vielen Menschen nicht als Erstes in den Sinn kommen. Der Ursprung für das Projekt entstand zufällig vor rund vier Jahren während der Corona-Pandemie, wie Roshan Adhihetty erzählt. Der selbstständige Fotograf verlor damals all seine Aufträge für den Sommer 2020 und die Geldreserven wurden knapp. «Ich habe deshalb das erstbeste, was ich machen konnte, angenommen und das war in einer Fabrik Gemüse für einen Grossverteiler abzupacken.» Dabei lernte der Fotograf die Kartoffel und ihre verschiedenen Sorten das erste Mal so richtig kennen. Fiel beim Abpacken Ware auf den Boden, durfte man diese mit nach Hause nehmen. «Während der Coronakrise war es ziemlich langweilig und ich durfte viele Kartoffeln mitnehmen; manche fingen bereits an zu spriessen. Diese legte ich dann in Gläser, um ihr Wachstum zu beobachten», erläutert Roshan Adhihetty die Anfänge seines Projektes. «Einfach aus Neugier und weil ich fand, dass sie schön aussahen.»
Die Erdäpfel faszinierten den Künstler, worauf dieser begann, sich tiefgründiger mit ihnen auseinander zu setzten: «Ich fing an, über Kartoffeln zu recherchieren; das ist einfach ein unersättliches Thema. Man kommt über die Kartoffel zu so vielen verschiedenen Themengebieten – beispielsweise Migration, Kolonialismus oder auch Gentechnik.» Schlussendlich hat sich der studierte Fotograf vor allem auf die Ästhetik der Knolle fokussiert. «Es gefällt mir, etwas für ein künstlerisches Projekt zu wählen, was anfänglich ziemlich plump wirkt – wo man im ersten Moment denkt: Das ist ja voll langweilig», sagt Roshan Adhihetty, der mit seinen Arbeiten gerne auch ein wenig provozieren möchte, und fügt bei: «Aber das Schöne ist, dass wirklich alle einen Bezug zur Kartoffel haben.»
Tatsächlich ist die Kartoffel in vielen Gerichten vertreten, die gerne verspeist werden. Sei es Rösti, Kartoffelstock oder Pommes frites, die nun beim Kunsthaus in den Vordergrund gerückt werden. Dabei kommt der eingangs erwähnte Kartoffelhaufen ins Spiel. Dieser ist rund 400 Kilogramm schwer und besteht ausschliesslich aus Ausschussware. Also Kartoffeln, die es nicht über die Ladentheke schaffen und dies hauptsächlich aufgrund ihrer Ästhetik. Und das tonnenweise. «Die Kartoffeln auf dem Haufen sind für den Verkauf einfach zu gross, geschmacklich merkt man aber keinen grossen Unterschied», weiss der Künstler. Die Kundschaft in den Läden sei irritiert, wenn die Kartoffeln nicht dem Schönheitsideal entsprechen. «Sie denkt, dass dabei etwas komisch sein muss, wenn sie nicht die perfekte Form haben, die wir gewohnt sind, und lassen sie liegen. Deshalb wird solche Ware gar nicht erst verkauft», meint er.
An vier Tagen soll der Kartoffelhaufen wegfrittiert werden. «Quick and dirty» soll die Frittenbude sein, welche aus Altholz gebaut wird. Damit nimmt der Künstler Bezug auf die Position der Pommes in der Gesellschaft, die oft als schnelle Mahlzeit, als «dirty» Fast Food gesehen werden. Während die Frittenbude geöffnet hat, können die Besuchenden ihre Kartoffel selbst aus dem Haufen aussuchen und schneiden. Die Pommes werden kostenlos rausgegeben. «So sehen die Besuchenden, was alles wegfällt und dass man es eigentlich noch essen kann.» Obwohl der Foodwaste thematisiert wird, möchte Roshan Adhihetty jedoch nicht mit dem Finger auf irgendjemanden zeigen: «Ich bin kein Aktivist. Meine Arbeiten haben immer ein gewisse politische Note aber ich möchte nicht nur moralisch sein.»
Der ironische Gegenpol zu der Ausschussware, den «hässlichen» Kartoffeln, ist die Ausstellung im Innenraum mit den perfekten Kartoffeln in den Konservierungsgläsern, die auf Museumssockel stehen. «Ich zelebriere damit die Schönheit der Kartoffel in einer etwas überspitzten Weise und mit einem Augenzwinkern», so Roshan Adhihetty. Seine Kunst polarisiere häufig, wie der Künstler sagt, und kommt dabei auch auf eine vergangene Fotoreportage über Nacktwanderer zu sprechen. «Einige Leute werden sich denken, was an der Frittenbude Kunst sein soll. Und das ist in Ordnung so. Ich freue mich aber, wenn Menschen sich die Ausstellung näher anschauen, reflektieren, sich draufeinlassen möchten und dabei auch ein wenig schmunzeln müssen.»
Von Gemma Chillà
Dauer der Ausstellung: 27. Juni bis 9. August 2024
Daten der Frittenbude:
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